Geschichte

Bergwelt und musikalische Höhepunkte haben das eine gemeinsam: sie führen hinauf über die graue Dunstwolke des Alltäglichen und vermitteln Erlebnisse, die einem sonst verwehrt sind. Also warum nicht beides miteinander verbinden - so dachten sich vor mehr als 80 Jahren Dr. Nelly Schmid und Professor Antoine-Elisée Cherbuliez. Und wenn dies erst noch auf einer damals und heute weitestgehend autofreien Glarner Bergterrasse getan werden kann, muss ja der Genuss umso ungestörter sein! 

Das Musikfestival der ersten Stunde

Es war eine Pioniertat, die damals vollbracht wurde. Niemand ahnte das Kommen des heutigen Festival-Booms. Man lebte in einer tiefen wirtschaftlichen Krise, und der zweite Weltkrieg stand schon bald vor der Tür. Trotzdem oder gerade deshalb hielten die Gründer durch, strahlten ihr Engagement und ihren Enthusiasmus auf andere aus - eine musikalische Tradition mit jahrzehntelanger treuer Gefolgschaft entstand.

In der schweren Zeit der Verfolgung, der Kriegs- und Nachkriegsperiode kamen bedeutende Künstlerinnen und Künstler gerne in das kleine Dorf Braunwald ganz hinten in einem schweizerischen Bergtal, dem Glarnerland, von dem sie wohl vorher noch nie gehört hatten. Auch Koryphäen wie Schlusnus, Walter Gieseking, Paumgartner, Clara Haskil und andere kamen. Es war eine aufregende Zeit für die Musikwoche Braunwald, die damit in der unversehrten Schweiz im Kleinen einen kulturellen Auftrag erfüllten.

Die ersten Jahre

Zu Beginn standen bei der Programmgestaltung die Vorträge im Mittelpunkt. Nationale und internationale Künstler spielten die von den Referenten zur Demonstration ihrer Ausführungen gewünschten Beispiele. Die Kursteilnehmer hatten Gelegenheit zu eigener musikalischer Tätigkeit im Orchesterspiel, im Chor und im Ensemble. In speziellen Veranstaltungen wie Arbeitsgruppen und Diskussionsabenden konnten musikalische Probleme erörtert werden.

Darüber hinaus bestand sogar die Möglichkeit, bei den anwesenden Musikerinnen und Musikern Privatunterricht zu nehmen (beispielsweise bei Salvatore Salvati, Emil Frey oder Walter Gieseking). Alle Teilnehmenden wohnten im gleichen Hotel und waren während der ganzen Woche anwesend. Es entstand eine geschlossene Gesellschaft, die sich wie selbstverständlich hörend, diskutierend, selber spielend oder singend unter äusserst kundiger Leitung mit Musik beschäftigte. Auch Instrumentalkurse, Gesprächsrunden, Konzerteinführungen und Wochenevaluationen gehörten zum Programm. 

Willi Gohl initiiert 1972 mit «3 Allgemeinen Singen» den zwischenzeitlich vernachlässigten Chorbereich erneut und legt damit den Grundstein zur heutigen Chorwoche. Seit 1995 ist sie zu einer wichtigen Stütze der Braunwalder Musikwoche herangewachsen. Sie konzertiert jeweils zum Abschluss der Woche unter der Leitung von Kurt Müller, Reto Cuonz, Peter Freitag, Gabriela Schöb, Katharina Jud und Andrea Fischer mit Solisten und Orchester in der Tödihalle, der reformierten Kirche Linthal oder im Linthpark. 

Ein Novum war die vom ehemaligen Präsident Robert Jenny eingeführte, hoch geschätzte Exkursion, genannt Schulausflug, hinunter ins Tal der Linth. Die Teilnehmenden erkundeten die Umgebung, und es ergaben sich Konzertmöglichkeiten an völlig ungewohnten Orten wie im Landesplattenberg, im Saal des Hotel Tödi im Tierfehd oder in den grossen Industriesälen der Spinnerei in Linthal. Kein Besucher wird die einmalige Wirkung von Performance und Musik in überwältigenden Kavernen und im magischen Konzertsaal je vergessen.

Seit 2022 ist die Hauptspielstätte der Musikwoche nicht mehr der Saal im Märchenhotel. Mangels Konzerthallen in Braunwald werden für die Musikwoche verschiedene Spielstätten bestielt, wie die Tödihalle, die reformierte Kirche Braunwald, die reformierte Kirche Linthal oder der Linthpark in Linthal. 

Heutige Programmgestaltung

Das Programm des «Musikalischen Ferienkurses» hat in den 88 Jahren seines Bestehens Wandlungen, Veränderungen oder Entwicklungen erfahren. Verändert haben sich auch die Erwartungen des Publikums. Die damals geschlossene Gesellschaft des «Musikalischen Ferienkurses» hat sich längst breiter gestreuten Hörerkreisen geöffnet. Man wünscht viel Abwechslung, musikalische Leistungen auf hohem Niveau, ab und zu einen lockeren Unterhaltungsabend, die Chorwoche, interessante Programme jeglicher Stilrichtung, junge und reife Musikerinnen und Musiker, gewandte Referenten, Einführungen und Gesprächsrunden. All dies bietet heute die Musikwoche Braunwald mit einer Programmgestaltung, die klare Strukturen kennt. Fakt ist: die Musikwoche ist so lebendig wie eh und je, die Musikwoche hat sich – jedoch treu den ursprünglichen Ideen – verändert und ist heute ein zeitgemässes, professionell organisiertes Musikfestival hoch über dem Alltag.

Hervorragende Musikerinnen und Musiker kommen immer wieder gerne nach Braunwald – nicht wegen der Gage, sondern wegen der besonderen Atmosphäre. Und junge Künstlerinnen und Künstler zum Zuge kommen zu lassen, gehört zum Konzept der Musikwochen Braunwald, genauso wie der Einbezug von Kompositionen aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Junge Nachwuchskünstlerinnen und -künstler erhalten während der Musikwoche ebenso ein Podium wie arrivierte Spitzenmusikerinnen und -musiker.

Parallel zu den Konzerten der Musikwoche findet jeweils ein Chorwoche für Laienchorsänger:innen statt. Zu dieser können sich gute Laienchorsängerinnen und -sänger anmelden und singend eine Woche im herrlichen Braunwald verbringen. 

Persönliche Atmosphäre

Künstlerinnen und Künstler werden oft auch zu Feriengästen und man begegnet sich auch ausshalb des Konzertsaals in unangestrengter Atmosphäre. Es ist dieser menschliche Kontakt zwischen Interpret:innen, Musikwissenschaftler:innen und dem Publikum, der ein besonderes familiäres Klima in der Musikwoche schafft.